Interview mit Karl-Heinz Schuldt

Zur Entwicklung und Zukunft der Humanistischen Psychotherapie

Am 16. März 2025 wurde auf der Mitgliederversammlung der AGHPT ein neuer Vorstand gewählt. Karl-Heinz Schuldt war lange Jahre 1. Vorsitzender, hatte sich aber nicht wieder zur Wahl gestellt. Stefan Körber hat mit ihm ein Gespräch über seine Erfahrungen, Erkenntnisse, Zukunftsperspektiven für die AGHPT geführt.

Karl-Heinz Schuldt

Stefan Körber (SK): Lieber Karl-Heinz, du gehörst zu den Gründern der AGHPT. Wie kam es damals dazu?
Karl-Heinz Schuldt (KHS): Das war eher Zufall. Ich bin damals eingesprungen, weil die Vorsitzende der Fachgruppe Psychotherapie der DGTA nicht teilnehmen konnte. Beim „Großen Ratschlag“ traf ich engagierte Kolleg*innen wie Manfred Thielen, Werner Eberwein und Jürgen Kriz. Schnell entwickelte sich daraus die AGHPT – ein Zusammenschluss mit konkreten Zielen, vor allem der wissenschaftlichen Anerkennung der Humanistischen Psychotherapie (HPT). Gleichzeitig gab es Spannungen: zwischen denen, die erst mal Orientierung wollten, und den Berufspolitisch Aktiven.

SK: Was hat dich persönlich motiviert, dich so stark zu engagieren?
KHS: Ich habe früh gespürt, dass es eine verbindende Klammer braucht – nicht nur inhaltlich, sondern auch menschlich. Ich bringe gerne Menschen zusammen und behalte den Überblick. Außerdem fand ich die Entwicklung einer eigenständigen humanistischen Psychotherapie, unabhängig von Einzelverfahren wie Psychodrama oder Körperpsychotherapie, sehr spannend.

SK: Du warst zweimal Vorsitzender – zuletzt bis März 2025. Worauf blickst du zurück?
KHS: Es gab Frustrationen, etwa durch die Ablehnung des Wissenschaftlichen Beirats. Aber auch Stolz: Wir haben ein gemeinsames Curriculum entwickelt und als sehr unterschiedliche Verbände zusammengearbeitet. Die Identitätsfrage innerhalb der AGHPT bleibt aber eine Herausforderung – viele identifizieren sich zuerst mit ihrem Einzelverfahren. Auch die Sprache und Terminologie unterscheiden sich stark.

SK: Was waren deine persönlichen Höhen und Tiefen?
KHS: Highlights waren die ersten Kongresse und die Anhörung beim Wissenschaftlichen Beirat. Tiefpunkt war, als ein Einzelverband eigenmächtig einen Antrag auf Anerkennung stellte – das hat unsere Glaubwürdigkeit erschüttert. Zugleich hat dieser Prozess gezeigt: Die AGHPT muss auch über den Bereich Psychotherapie hinaus denken – hin zu Beratung, Coaching, Pädagogik. Das humanistische Menschenbild ist umfassender.

SK: Wie hast du den Zukunfts-Workshop erlebt, den du mit initiiert hast?
KHS: Als sehr lebendig und motivierend. Viele neue und bekannte Gesichter haben intensiv gearbeitet. Da ist mir das Herz ganz toll aufgegangen. Besonders gefreut hat mich die Entscheidung, die Professionalisierung der AGHPT mit Priorität anzugehen – strukturell wie finanziell. Auch der Wunsch, sich gesellschaftspolitisch stärker einzubringen, ist in dieser Zeit wichtig.

SK: Welche Empfehlungen gibst du mit auf den Weg?
KHS: Die Verbände sollten sich mehr füreinander öffnen, statt nur um sich selbst zu kreisen. Gegenseitige Einladungen, struktureller Austausch zwischen Vorständen, gemeinsame Kongresse – das würde das Netzwerk stärken. Auch das Curriculum muss gemeinsam getragen werden. Und wir sollten die Mitglieder ernst nehmen, die nicht unter das Psychotherapeutengesetz fallen – sie sind die Mehrheit.
Wir dürfen außerdem selbstbewusster auftreten. Die AGHPT muss nicht mehr „bitten“, sie hat inzwischen Substanz. Dafür braucht es konkrete Entscheidungen, auch wenn sie Geld kosten. Wir brauchen mehr Nachwuchs in der Forschung – Jürgen Kriz ist eine große Ressource, aber er ist 81. Das macht mir Sorgen.

SK: Was hat dir das Amt persönlich bedeutet?
KHS: Sehr viel. Ich habe es mit großer Freude gemacht, aber es war extrem arbeitsintensiv – fast wie ein unbezahlter Hauptjob. Ich hätte gerne mehr Zeit gehabt, um die Verbände direkter zu begleiten. Mir wurde oft zurückgemeldet, dass mein demokratischer Führungsstil geschätzt wurde. Das war das schönste Kompliment.

SK: Was sind deine Pläne für die Zukunft?
KHS: Ich möchte wieder mehr inhaltlich arbeiten – schreiben, unterrichten, Workshops anbieten. Ich hatte z. B. eine sehr erfüllende Vorlesung an der Uni Tübingen. Außerdem mache ich weiterhin Supervision in der Psychiatrie und arbeite mit meiner Frau in unserem gemeinsamen Institut. Und ich liebe handwerkliche Tätigkeiten – am Wohnmobil bis zur kaputten Uhr.

SK: Worüber würdest du gerne schreiben?
KHS: Über Suizidalität – besonders im Zusammenhang mit Sinnsuche. Und über Geschichten aus der Praxis, auch mit berührenden Entwicklungen über viele Jahre hinweg. Außerdem reizt mich die Geschichte der HPT in Deutschland und wie sich das Menschenbild auf Organisationsstrukturen auswirkt.

SK: Abschließend: Warum braucht es die AGHPT?
KHS: Die AGHPT bietet eine Plattform für Zusammenhalt, Austausch und berufspolitische Vertretung. Für die Verbände ist sie eine Brücke, die gemeinsame Anliegen stärkt. Für Mitglieder bedeutet sie Sichtbarkeit und Identifikation über das Einzelverfahren hinaus. Für die Öffentlichkeit steht sie für ein humanistisches Menschenbild, das auch im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen Impulse geben kann.