– Vielfalt stärkt Entwicklung
WEBINAR HUMAN-ONLINE am Donnerstag, den 12. Juni 2025 von 19.30-21.30 Uhr
Humanistische Psychotherapie und Beratung mit Kindern!
Die zunehmenden psychischen Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen, die durch pandemiebedingte Belastungen noch verstärkt wurden, erfordern fachliche Aufmerksamkeit und innovative Konzepte. Gesellschaftliche Veränderungen beeinflussen maßgeblich das psychische Erleben und die Beziehungsstrukturen. Dies spiegelt sich deutlich in den Erkrankungsstatistiken bei Kindern und Jugendlichen wider, während gleichzeitig ein wachsender Mangel an fachgerechter psychotherapeutischer Behandlung zu verzeichnen ist.
Theoretische Grundlagen und praktische Herausforderungen
Haben die Humanistischen Verfahren, die traditionell auf Erwachsene fokussiert sind, eigene theoretische Konzepte für jüngere Altersgruppen entwickelt? Ist dafür ein Paradigmenwechsel in der bisherigen theoretischen Ausrichtung auf Erwachsene erforderlich? Was fehlt an den theoretischen Konzepten, um mit dieser Klientel zu arbeiten? Welche Erfahrungen sammeln humanistische Psychotherapeutinnen und Beraterinnen im praktischen Anwendungsfeld? Welche Spezifika ergeben sich für eine Theorie in der praktischen Anwendung?
Diskurs und Perspektiven
Das Webinar lädt zum Diskurs ein zwischen den Perspektiven eines in der Niederlassung tätigen Kinder- und Jugendtherapeuten mit musikgestalttherapeutischem Hintergrund, einer Kinderpsychologin, die eine logotherapeutische Ausbildung einbringt und einer in Niederlassung tätigen Körperpsychotherapeutin mit Spezialisierung auf Frühkindliche Entwicklung und Bindungstheorie.
Gemeinsam möchten wir über Schnittstellen zwischen Bindungstheorie, Entwicklungspsychologie und humanistischer Phänomenologie ins Gespräch kommen und folgende Aspekte beleuchten:
Schlüsselaspekte der humanistischen Arbeit mit Kindern
- In den humanistischen Verfahren geht es um die Aktivierung organismischer Selbstregulation. Säuglinge kommunizieren über Körperspannung, Blickkontakt und Mikrogesten – die Aufgabe ist es, diese nonverbale Sprache zu übersetzen und sichere Beziehungsräume zu schaffen.
- Frühe Interventionsmöglichkeiten sind in unseren gesellschaftlichen Strukturen besonders im Bereich des Kindergartens zunehmend Thema einer gesunden seelischen, körperlichen und geistigen Förderung. Deshalb sind auch Erzieher*innen wichtige Gesprächspartner in der prophylaktischen Arbeit.
- Das Erschaffen eines experimentellen Raumes, beispielsweise durch die Verwendung von Musik, unterstützt die in den humanistischen Verfahren betonte Beziehungsbildung als wichtige Hilfestellung für Jugendliche, die aufgrund ihrer Entwicklungsphase mit Abgrenzung und Identitätsfindung beschäftigt sind.
Einladung zum fachlichen Austausch
Wir freuen uns auf Ihr Interesse und einen bereichernden fachlichen Austausch zu diesem wichtigen Thema.
2 Fortbildungspunkte für das Curriculum Humanistische Psychotherapie / Counselor.
Bitte anmelden unter E-Mail: altenkirch@aghpt.de
Einwahllink für das WEBINAR:
https://us02web.zoom.us/j/84739164318?pwd=xSf8T9smbIRquL409mvIa3vMo7FDAV.1
Meeting-ID: 847 3916 4318
Kenncode: 313319
Referent *innen
Heino Pleß-Adamczyk:
Kinder- und Jugend-Psychotherapeut
Gestalt-Musiktherapeut
Ausbilder am Institut für Gestalttherapie und Gestaltpädagogik (IGG) in Berlin niedergelassen mit eigener Praxis
Verheiratet, ein erwachsener Adoptivsohn.
Elena Schubert:
tätig als Kinder -und Jugendpsychologin im Trebbiner Kinder -und Jugendheim.
Ausgebildet in der Existenzanalyse und Logotherapie.
Ehrenamtliche Mitwirkung in der Logotherapeutischen Beratungsstelle in Berlin.
Dorit Göbel:
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin
Körperpsychotherapeutin – Integrative Biodynamik, Somatic Experiencing,
Prä- und Perinatal- Psychologie, Bindungsanalytikerin
psychoanalytische Paar- und Familientherapeutin
niedergelassen in eigener Praxis in Kassel
zwei erwachsene Kinder
Erste Österreichische Fachtagung der Humanistischen Psychotherapien: „BEGEGNUNGEN“ in Wien
Am 04. und 05. April 2025 fand die Erste Österreichische Fachtagung der Humanistischen Psychotherapien unter dem Titel „BEGEGNUNGEN“ statt. 180 Expert:innen trafen in der Bundeshauptstadt zusammen, um ihre Kräfte im Gesundheitswesen in Zeiten großer gesundheitlicher, gesellschaftlicher und politischer Herausforderungen zu bündeln.
Zum ausführlichen Bericht von Roland Raible.
Begegnungen – Erste Österreichische Fachtagung der Humanistischen Psychotherapien, Wien, 4. – 5. April 2025
Ein Bericht von Roland Raible
Nach zweijähriger Vorbereitung trafen sich ca. 200 Vertreter*innen und Mitglieder aus 12 Fachvereinen, die in Österreich dem „humanistischen cluster“ zugeordnet werden1, sowie der Donau-Universität Krems zu einer ersten „Begegnung“. In der gesamten Vorbereitung und Durchführung hatte es eine umfangreiche und wertvolle Unterstützung durch „Gesundheit Österreich“2 gegeben. Als „neutrale“ Beobachterin verfolgte eine Anthropologin den Verlauf und spiegelte gegen Ende ihre Eindrücke an die Teilnehmenden zurück. Interessant dabei: Sie erlebte einerseits eine sehr freundliche, wertschätzende Atmosphäre, erkannte andererseits aber auch subtile Abgrenzungen. In ihren Worten: Je ähnlicher sich Gruppen sind, desto eher betonen sie die Unterschiede.
Um den Zusammenhang zu verstehen, in dem diese Fachtagung stattfand, muss man berücksichtigen, dass in Österreich zum 01.01.2025 ein neues Psychotherapiegesetz in Kraft getreten ist. Es weist gewisse Ähnlichkeiten auf zu dem in Deutschland 2020 novellierten: Es wird zu einer vergleichbaren Akademisierung der Ausbildung kommen mit einer – nicht zwangsläufig in Psychologie zu absolvierenden – Bachelorphase und einem nachfolgenden Psychotherapiestudium, das mit Masterexamen und Approbation abschließt. Einer von mehreren Unterschieden besteht darin, dass das Gesetz als Bestandteil der Ausbildung alle vier psychotherapeutischen Grundorientierungen aufführt.
Ein Motiv der Ausrichter der Tagung war, die humanistischen Vereine enger zueinander zu führen, um politisch und fachlich mehr Wirkung entfalten zu können. Das erscheint nötig, obwohl es seitens des Ministeriums und durch das Gesetz Unterstützung dafür gibt, alle vier Grundorientierungen gleichberechtigt zu lehren. Denn an den österreichischen Universitäten besteht wie in Deutschland ein Übergewicht verhaltenstherapeutisch ausgerichteter Lehrender. Und die Universitäten sind nicht gehalten, für die Lehre in Humanistischer Psychotherapie entsprechend ausgebildetes Personal einzustellen. Andererseits kann man an der Liste der beteiligten Gruppierungen erkennen, wie sehr sich die humanistische Psychotherapieszene in Österreich aufgesplittert hat.
Als deutsche „Delegation“ nahmen Katrin Schleitzer, Anatoli Pimenidou und Roland Raible an der Fachtagung teil. Und – um ein Ergebnis vorweg zu nehmen: Wir haben uns wohlwollend aufgenommen gefühlt im Kreis der österreichischen Kolleg*innen und konnten vielfache Kontakte herstellen, von denen wir uns einen Fortbestand und weitere Kooperation(en) versprechen.
Zum Ablauf: Die beiden Vorträge (mit ausreichend Zeit zu Fragen und Diskussion!) von Heidi Levitt aus Boston3 („The Necessity of Humanistic Psychotherapy“) und Thomas Fuchs4 aus Heidelberg („Phänomenologie – eine gemeinsame Basis für die humanistische Psychotherapie?“) waren eingerahmt von mehrfachen Phasen im Plenum und in Gruppen. Didaktische Hilfe zur Gruppenbildung und Aktivierung im Plenum kam von Psychodramatiker*innen. Die Gruppenarbeiten wurden von Moderator*innen vorbereitet und betreut. Wie üblich, wurden Ergebnisse im Plenum vorgetragen und ggf. diskutiert. Durch diese Gestaltung waren reichlich Kontakte, Gespräche, Begegnungen, Ideenentwürfe usw. möglich. Eine Dokumentation wird von „Gesundheit Österreich“ veröffentlicht werden.
Die Gruppenarbeiten galten vielfältigen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Themen. Auszugsweise und verkürzt erwähnt seien: im Bereich „Forschung“ Forschungsstrukturen und -methoden, Erkenntnistheorie, und im Bereich „Gesellschaft“ Krieg & Frieden, Autoritarismus, Klima, Gender, KI, Emanzipation.5
Was nehmen wir nun mit?
- Die Akademisierung der Psychotherapie wurde voran gebracht. Die Struktur der deutschen Ausbildung wurde übertragen – mit bemerkenswerten Unterschieden im Detail.
- Die schon seit dem ersten Gesetz aus 1990 bestehende Vielfalt der psychotherapeutischen Verfahren ist erhalten geblieben. Es besteht trotzdem die Besorgnis, dass durch die an den Universitäten bestehenden Ungleichgewichte zu Gunsten der Verhaltenstherapie verschiedene therapeutische Verfahren „austrocknen“. Um dem entgegen zu wirken, wird ein Zusammenschluss der Verfahren aus der gleichen Orientierung/dem gleichen Cluster als vordringlich erachtet und unterstützt, auch von behördlicher Seite.
- Das stellt eine erhebliche Herausforderung an die Fachvereine dar, die – ermöglicht durch Regelungen im alten Gesetz – eine größere Aufsplitterung in Unterformen des gleichen Ansatzes aufweisen, als wir das in Deutschland kennen. Es gibt eine jüngere Generation von Kolleg*innen, denen eine Hinbewegung auf mehr Gemeinsamkeit leichter fällt als den älteren.
- Eine der AGHPT vergleichbare Organisation existiert nicht in Österreich. Impulse zur Einrichtung einer „Dachorganisation“ klingen an. Die nicht einfache Kooperation der Vereine in Vorbereitung dieser Tagung kann als faktischer Zusammenschluss interpretiert werden. Weitere Arbeitsgruppen mit diversen Aufträgen wurden ins Leben gerufen. Sie könnten auf eine Kontinuität und Institutionalisierung hinführen.
- In Österreich herrscht ebenfalls die Not vor, Lehrstühle mit Professor*innen einer humanistisch-psychologischen Ausrichtung zu besetzen und Forschung zu betreiben.
- Möglichkeiten zur Kooperation zwischen der AGHPT und österreichischen Kolleg*innen wurden angebahnt.
- Vereinigung Rogerianischer Therapie, Österr. AK Gruppentherapie und Gruppendynamik (daraus die Sektionen Psychodrama, Integrative Therapie, Integrative Gestalttherapie), Österr. AG für Gestalttheoretische Psychotherapie, Integrative Gestalttherapie Wien, Österr. Ges. für wissenschaftliche klientenzentrierte Psychotherapie und personorientierte Gesprächsführung, Ges. für Logotherapie und Existenzanalyse Österr., Institut für Personzentrierte Studien/Akademie für Beratung u. Psychotherapie, Ausbildungsinstitut für Logotherapie und Existenzanalyse, Österr. Ges. für Integrative Therapie , Forum (Sektion d. AG Personzentrierte Psychotherapie, Gesprächsführung und Supervision)
- Gesundheit Österreich ist eine GmbH, die als nationales Public Health Institut und Kompetenzzentrum (für Bevölkerungsgesundheit im vielfältigen Sinn, RR) wissenschaftlich und organisatorisch im Auftrag des Bundes und der Bundesgesundheitsagentur weisungsfrei tätig ist.
- Professorin für Klinische Psychologie an der University of Massachusetts in Boston mit einem Schwerpunkt in qualitativer Forschung
- Inhaber der Karl Jaspers Professur für philosophische Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Heidelberg mit Forschungsschwerpunkten in Phänomenologischer Psychologie, Psychopathologie und Anthropologie
- Interessierte können Informationen zum Programm, zu den Veranstaltern, den Vortragenden und weiteres einsehen über https://humanistische-psychotherapien.at/
Auszeichnung für Heinrich Bertram zur Gründung der AGHPT
Mit einem Award für sein „Lebenswerk für die Gründung der AGHPT“ wurde Heinrich Bertram, Gründungsvater und Ehrenmitglied der AGHPT, am 15. März 2025 in Berlin geehrt. Für seine Leistungen auf dem Gebiet der Humanistischen Psychotherapie wurde er während einer Jubiläumsveranstaltung zum 15-jährigen Bestehen der AGHPT gewürdigt.
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Auszeichnung für Heinrich Bertram zur Gründung der AGHPT
Mit einem Award für sein „Lebenswerk für die Gründung der AGHPT“ wurde Heinrich Bertram, Gründungsvater und Ehrenmitglied der AGHPT, am 15. März 2025 in Berlin geehrt. Für seine Leistungen auf dem Gebiet der Humanistischen Psychotherapie wurde er während einer Jubiläumsveranstaltung zum 15-jährigen Bestehen der AGHPT gewürdigt.
Im Jahr 2008 startete Heinrich Bertram vom Verband Psychologischer Psychotherapeuten (VPP) eine Initiative unter dem Namen „Großer Ratschlag“ zur Stärkung der humanistisch-psychologisch orientierten Psychotherapieverfahren in Deutschland. Es gelang ihm, interessierte Einzelpersonen sowie Vertreter*innen der entsprechenden Fachverbände zu regelmäßigen Treffen an einen Tisch zu bringen. Hauptthema dieser Treffen war die aktuelle Entwicklung der vor allem in Deutschland und hier vor allem das zunehmende Vergessen bzw. Ignorieren der humanistisch-psychologisch orientierten Verfahren.
Ziel war und ist es, die Humanistische Psychotherapie in Deutschland so zu etablieren, wie sie auch international anerkannt ist und für Klient*innen wirksam als Behandlungsverfahren genutzt wird.
Aus dem „Großen Ratschlag“ ging am 19. September 2010 die Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie (AGHPT) als Zusammenschluss von 11 Verbänden und kompetenten Einzelpersonen hervor, die sich zum Ziel gesetzt haben, für den Erhalt und den Ausbau der Verfahrens- und Methodenvielfalt in der Psychotherapie einzutreten und die Humanistische Psychotherapie in Wissenschaft und Anwendung zu fördern und zu verbreiten.
Der scheidende 1. Vorsitzende der AGHPT Karl-Heinz Schuldt würdigte in seiner Rede die Leistungen von Heinrich Bertram mit persönlichen Worten:
„Heinrich Bertram ist ein Mensch, der in einer Welt voller Vielfalt sowohl in Bezug auf Verfahren als auch auf Lebenswege immer wieder neue Perspektiven eröffnet hat. Seine Arbeit und sein Engagement fanden ihren Ursprung in den Zeiten der Sozialpsychiatrie und Antipsychiatrie, einer Zeit des Aufbruchs, in der Politik und gesellschaftlicher Wandel miteinander verschmolzen. Inmitten von Zerstörung und Neubeginn suchte er stets den Weg der Verbindung und des Dialogs. Auch Claude Steiner, ein Pionier der Transaktionsanalyse, war einer von vielen, die sich gemeinsam mit Heinrich gegen die Erstarrung und für den Respekt vor dem Menschen einsetzten.
Heinrich Bertram hat sich stets mit einer besonderen Klarheit und Weitsicht hervorgetan. Er blickt hinter die Kulissen der Berufspolitik, erkennt deren Verflechtungen und weiß, wie man sich in einem oft undurchsichtigen System bewegt. Mit seiner Erfahrung und seiner Rückgratstärke hat er nicht nur selbst einen Weg gefunden, sondern auch viele andere inspiriert. Er trägt eine gute Portion innovative Wut in sich, die ihn stets angetrieben hat, sich für Veränderungen einzusetzen und gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen.
Sein Ansatz war nie der des Alleingangs. Ganz im Gegenteil: Heinrich lud immer wieder dazu ein, verlorengegangene Verbindungen zu erneuern, zur Auferstehung einer neuen Form des Miteinanders. Bei ihm geht es nie um Überlegenheit, sondern um Augenhöhe und respektvollen Austausch. Er lebt und gestaltet Beziehungen mit Wertschätzung, was sich in seiner tief verwurzelten Solidarität zeigt.
Er ist ein Mensch, der wirklich zuhört – und der auch loslassen kann, wenn es nötig ist.
Und ja, auch Du, Heinrich, warst bei unseren Sitzungen manchmal müde geworden. Doch wer das Bild eines Großvaters und seiner Kinder und Engel bemühen möchte, der könnte es in deinem Fall als wahr empfinden: Du konntest es Dir leisten, stolz und mit Vertrauen loszulassen.
Der Blick auf heute:
Die AGHPT geht nicht unter – ganz im Gegenteil! Wir können aus aktuellen Beispielen des Konflikts zwischen Europa und den USA Zuversicht schöpfen. Auch wenn wir uns anfangs im Tempo und in der Zuversicht manchmal selbst überholt haben, dürfen wir nicht vergessen: die Beziehungen zwischen den Verbänden wurden nicht nur in Sitzungen geknüpft, sondern auch durch das „Erleben“ und das „Aus-Ein-Ander-Setzen“ von Ideen, die Zeit und auch Ressourcen brauchten – und die es immer noch brauchen.
Dein Lebenswerk, Heinrich, hast Du in diese Welt gesetzt. Und dieses Lebenswerk ist eines, das uns alle prägt. Es ist Dein Vermächtnis, das bleibt.
Ein besonderer Dank geht auch an Deine Frau, die sicherlich auf dem Weg mit Dir viele Entbehrungen auf sich genommen hat. Aber, wie es so oft im Leben ist: manchmal kommt aus solchen Entbehrungen auch eine besondere Bereicherung.
Danke, Heinrich, für Dein Werk!
Humanistische Psychotherapie: 
beziehungsfokusiert, körperbasiert und integrativ
Bericht von der Fachtagung am 06. und 07. September 2024
Wieder einmal zeigte sich die Sigmund-Freud-Universität in Berlin offen für eine Veranstaltung mit einem zu der eigenen therapeutischen Orientierung differenten therapeutischen Menschenbild und Therapieverständnis. Zur Freude der Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie (AGHPT) waren viele zukünftige Kolleg*innen (Studierende, PiAs) an den grundlegenden Konzepten der Humanistisch-psychologischen Psychotherapie und den Diskussionen mit ältere Kolleg*innen interessiert.Als versierter Kenner und Vertreter der Humanistischen Psychotherapie (HPTh) spannte Jürgen Kriz einen Bogen über „Historisches – Gegenwärtiges – Zukünftiges“. Für viele unbekannt: Die Ursprünge und Grundlagen der HPTh stammen aus dem Deutschland der Vorkriegszeit und kamen über die USA später „zurück“ zu uns. Er wies auf Aspekte des eigenständigen Menschenbildes der HPTh hin mit Folgen für ein Forschungsdesign, dass nämlich menschliches Verhalten nicht wesentlich auf die Kontrolle von Stimulusbedingungen oder Verstärkermechanismen zurückzuführen ist, sondern als (aus der Sicht der handelnden Person) konstruktive und sinnvolle Antwort auf eine Situation gesehen wird. Die Erkundung dieses Sinns und damit der kritischen Reflexion des Verhaltens und der maßgeblichen Emotionen leite u.a. den Therapieprozess. Dort ist weniger Manualtreue gefragt, sondern die kreative Fähigkeit zur Kombination von Methoden und Techniken im Zusammenhang mit dem jeweiligen Kontext. Die einzelnen Ansätze der HPTh lassen sich so als spezifische Ausdifferenzierung der Grundfrage verstehen: „Wie wird inneres Erleben (einschließlich des Erlebens der äußeren Gegebenheiten) angemessen und kongruent zur Sprache gebracht?“
Die Anforderungen an dafür nötige Kompetenzen standen im Zentrum des zweiten Vortrags. Ernst Diebels referierte über „Allgemeine Wirkgrößen und Schlüsselkompetenzen für erfolgreiche Psychotherapie“. Ein kritischer Blick galt den Schwächen des RCT-Studiendesigns, das zwar gerne als „Doppelblind-Studiendesign“ bezeichnet wird, in Wahrheit aber dieses Etikett nicht verdienen könne. Schließlich wisse – z.B. – jeder Therapeut/jede Therapeutin, welche Art von Behandlung er/sie gerade durchführe – und entsprechend wüssten in der Regel auch Patient*innen, an welcher Maßnahme sie teilnähmen. Sein Credo: Kompetenzen aus der Kenntnis der allgemeinen Wirkfaktoren ableiten, deren Überlegenheit über verfahrensspezifische Faktoren sich in Metaanalysen deutlich erwiesen habe.
Der wissenschaftlichen Forschung widmete sich Otto Glanzer in „Forschungsstrategien für die Humanistische Psychotherapie“. Durch die Bevorzugung bestimmter Forschungsmethoden auf Grund von Interessenslagen sei es in Deutschland zu einer Schieflage in der Forschung gekommen. Auch die Novellierung des Psychotherapeutengesetzes habe durch die Änderung der Legaldefinition von Psychotherapie von „wissenschaftlich anerkannt“ zu „wissenschaftlich anerkannt und geprüft“ die Forschung zu Verfahren außerhalb des deutschen Regelwerkes erschwert: Hiesige Anstrengungen müssten (immer noch) den Kriterien des Methodenpapiers des Wissenschaftlichen Beitrags genügen und ihre Wissenschaftlichkeit belegen, während in anderen Ländern diese Notlage nicht bestehe. Viele in Deutschland nicht „hoffähige“ Verfahren könnten im Ausland ihre Psychotherapieforschung freier auf detailliertere, weiter führende Fragestellungen richten. Ihre Ergebnisse seien dadurch wiederum für Wirksamkeitsnachweise gemäß dem deutschen Kanon nicht verwendbar.
Ein Schlaglicht auf diese „Schieflage“ warf recht konkret Manfred Thielen im Beitrag „Der Körper in der Humanistischen Psychotherapie“ – ist doch die Körperpsychotherapie als eigenständiges Verfahren im europäischen und außereuropäischen Ausland anerkannt. In die Skizzierung der Entwicklungsgeschichte der Körperpsychotherapie – von Wilhelm Reich und Elsa Gindler über Alexander Lowen zu einigen jüngeren Vertreter*innen dieser Orientierung – hat er die Bedeutung des körperlichen Erlebens für jegliche subjektive Erfahrung betont und damit auch ihre Beachtung in der Psychotherapie als unerlässlich hervorgehoben. Ihre Entwicklung stehe von Anfang an in enger Verbindung zu derjenigen der Humanistischen Psychotherapie. Folglich enthalte jede der sechs Vorgehensweisen in der HPTh Elemente und Ansätze zur Einbeziehung des Körpers. Anhand eines Fallbeispiels, bei dem der Fokus auf dem Körper lag, stellt er die Integration der sechs Ansätze dar
Nach zwei Runden mit je zwei Workshops zu den Vortragsthemen bildete eine gemeinsame Diskussion zu einem Fall den inhaltlichen Abschluss der beiden Tage. Es war nicht ganz einfach, in dieser Erörterung eine gemeinsame Zielrichtung zu finden. Erfrischend hat sich ausgewirkt, dass jüngere Kolleg*innen mit ihren Fragen und Hinweisen unerwartete Akzente gesetzt haben. Dies war für die Veranstalter insofern eine Ermunterung, als sich hier zeigte, dass die HPTh jüngere Kolleg*innen bewegen kann und sich damit wieder einmal ein Moment der Ermutigung einstellte.
„Weckruf – gegen die reduktionistische Einseitigkeit der deutschen Psychotherapie“
Mitte Oktober 2023 initierten Prof. Dr. Michael B. Buchholz und Prof. Dr. Jürgen Kriz einen „Weckruf“, den Sie an einen größeren Kreis von Professor:innen* im Bereich der Psychotherapie verschickten. Beabsichtigt ist, „damit jene Positionen im Diskurs unterstützt werden, die sich für den (Wieder-)Anschluss der Psychotherapie(forschung) in unserem Lande an die internationalen Standards bezüglich Methodenpluralität, Forschungs-vielfalt und Evidenzbasierung einsetzen.“
Dabei beklagen Sie: „Sinnorientierte (besonders psychodynamische und humanistische) Ansätze, die international eine bedeutende Rolle spielen und von vielen Patienten nachgefragt werden, werden somit in Deutschland marginalisiert und aus Praxis, Lehre und Forschung weitgehend ausgeschlossen.“
Der „Weckruf“ wurde inzwischen von 158 Professor:innen unterzeichnet.
Zudem unterstützen etliche Verbände und Organisationen sowie zahlreich Psychotherapeuten diesen „Weckruf“.
In der Dezember-Ausgabe vom Ärzteblatt /PP (2023, Seite 534) ist ein kurzer Artikel zum „Weckruf“ erschienen.
– Vielfalt stärkt Entwicklung
Von November ´23 bis April ´24 bot die AGHPT drei Webinare kostenlos an. Die Themen aktuell:
- Klimakrise und Klimagefühle in der Humanistischen Psychotherapie.
- Wie gestaltet sich der Einstieg in neue Berufsfelder nach einer Humanistischen Ausbildung?
- Migration und Flucht; Herausforderungen und Chancen für die Humanistische Psychotherapie.
Das Format:
- Zwei Stunden, donnerstags 19.30-21.30 Uhr
- VertreterInnen mehrerer Humanistischer Methoden gestalten einen konzentrierten Input.
- Platz und Zeit für interaktive Übungen und Diskussion.
Die Zukunft:
- Wir wollen dieses Format auch im nächsten Winter (´24/´25) weiterführen.
- Unser Team braucht Verstärkung!
Melden Sie sich bis zum 01. Juli 2024 unter human-online@aghpt.de
Wir freuen uns auf Sie! Auf Euch!
Die AGHPT ist erfreut, dieses neue Buch von Jürgen Kriz vorzustellen.
Prof. Dr. Jürgen Kriz ist Ehrenmitglied und Wissenschaftlicher Beirat der AGHPT.
Jürgen Kriz: Humanistische Psychotherapie. Grundlagen – Richtungen – Evidenz.
Fachbuch
2022
203 S.
Kohlhammer. ISBN 978-3-17-036563-6
Inhaltsverzeichnis, Vorwort und Leseprobe
Humanistische Psychotherapie umfasst viele bekannte Ansätze wie Gesprächspsychotherapie bzw. Personzentrierte Psychotherapie, Gestalttherapie, Psychodrama, Transaktionsanalyse, Existenzanalyse/Logotherapie und Körperpsychotherapie. Zu jedem Ansatz gibt es zahlreiche Werke. In diesem Buch wird nun erstmals das historisch gewachsene Wurzelgeflecht aus gemeinsamen Konzepten aufgezeigt, die das ganzheitlich-humanistische Menschenbild fundieren. Mit neueren Erkenntnissen verbunden – u.a. aus der Säuglingsforschung, der Biosemiotik und der Systemtheorie – zeichnet der Autor ein konsistentes Gesamtbild der Humanistischen Psychotherapie. Ergänzt wird dies durch eine kurze Darstellung der einzelnen Ansätze sowie einiger Konsequenzen für die wissenschaftliche Diskussion zu ihrer Evidenz.
Persönliche Mitgliedschaft, Partizipationsmöglichkeiten von einzelnen Mitgliedern – so kannst Du Dich einbringen.
Humanistische PsychotherapeutInnen, ob voll ausgebildet oder in Ausbildung, können mitdiskutieren, eigene Ideen einbringen und mit gestalten. Dafür hat die AGHPT die Möglichkeit der „Persönlichen Mitgliedschaft“ geschaffen. Wie kannst du Persönliches Mitglied werden? Was bedeutet das? Am Rande der letzten Mitgliederversammlung tauschten sich Anatoli Pimenidou (Delegierte DFP) und Kathrin Schleitzer (bereits Persönliches Mitglied) darüber aus und lassen Euch hier an ihren Gedanken teilhaben.
Wissenschaftliche Evidenz für einen fälligen Wandel in der Psychotherapieforschung und Politik
Im Februar 2021 hat Bruce E. Wampold, Emeritus der University of Wisconsin, Mitglied der American Psychological Association und Träger zahlreicher Forschungsauszeichnungen, eine beachtenswerte Evaluation des Methodenpapiers des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie (WBP) verfasst. Er legt anhand von zahlreichen Metaanalysen mangelnde Evidenz der darin angewandten Kriterien und Verfahren offen, zeigt die Sackgasse der universitären Psychotherapieforschung auf sowie deren negativen Einfluss auf (versorgungs-)politische Entscheidungen.
Norbert Bowe hat dazu im bvvp Magazin (H.3, S 26-27) einen lesenwerten Beitrag verfasst (Der bvvp ist der Dachverband von 16 eigenständigen, auf KV-Ebene arbeitenden Landes- und Regionalverbänden. Mit über 5.500 Mitgliedern ist er der größte berufsgruppenübergreifende Zusammenschluss von ärztlichen, psychologischen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen).
Hier geht’s zum Beitrag [mit freundl. Genehmigung des Autors und bvvp]