Jürgen Kriz: Nachruf auf Albert Pesso
Von Jürgen Kriz
Am 19.5.2016 verstarb „Al“ Pesso, im Alter von 86 Jahren. Eigentlich ging es ihm nach schwerer Krankheit Ende 2015 schon wieder besser. Daher kam sein plötzlicher Tod für alle überraschend. Seine geliebte Frau und Mit-Entwicklerin seines Psychotherapieansatzes, Diane Boyden Pesso, war erst kürzlich, am 3. März 2016, nach vieljähriger Alzheimererkrankung gestorben. Viele haben seine ebenso inspirierende wie auch zutiefst menschliche Weise psychotherapeutischer Arbeit auf dem 2. AGPT-Kongress im Oktober 2014 in Berlin kennengelernt.
Pesso entwickelte seinen Ansatz zusammen mit seiner Frau bereits vor über 50 Jahren zunächst aus seinen praktischen Erfahrungen als Tanzausbilder und Choreograph in New York. Er stellte fest, dass bestimmte blockierte Bewegungen der Tänzer erst dann flüssig ausgeführt werden konnten, wenn sich ihre emotionalen Schemata verändert hatten. Daraus entwickelte sich ein Therapieansatz, PBPS (Pesso Boyden System Psychomotor), in dem dem Gedächtnis von traumatischen Erfahrungen neu konfigurierte Szenen heilsam zur Seite gestellt werden. Wie schon der Hirnforscher und Nobelpreisträger Gerald Edelmann vor Jahrzehnten mit seinem Konzept der „erinnerten Gegenwart“ betonte, wirken alle vergangenen Erfahrungen dynamisch in der aktuellen Situation zusammen und moderieren die Prozesse von Wahrnehmen, Fühlen, Denken und Handeln.
Entsprechend der Entwicklung des Ansatzes wurde PBSP zunächst in der Körperpsychotherapie verortet. Die amerikanischen Gesellschaft für Körperpsychotherapie (USABP) ehrte Pesso 2012 mit dem („Lifetime Achievement Award“). Weil Pesso viele Aspekte bspw. aus der Hirnforschung, aus dem Mentalisieren und aus der Begegnungsarbeit nach den Prinzipien der Humanistischen Psychotherapie einbezog, passt PBSP in keine der klassischen „Therapie-Schachteln“. Selbst hat er sich zunehmend der Humanistischen Psychotherapie zugeordnet, aber auch Vertreter der Psychodynamischen Verfahren zeigen großes Interesse an PBSP, was z.B. ein gemeinsames Buch mit Tilman Moser (1998 bei Suhrkamp) belegt.
Eindrucksvolle Lehrfilme über seine theoretischen Konzepte und seine praktische Arbeit (z.B. 2006 an der Universität Osnabrück entstanden), stehen Interessierten auch weiterhin zur Verfügung ebenso Weiterbildungen auch in Deutschland (weitere Informationen www.pbsp-institut.de bzw. international: www.pbsp.com).
Im Auftrag der deutschen Bundesregierung arbeitete Pesso 2009 mit Opfern des Krieges in der Demokratischen Republik Kongo. Das Ärzteblatt widmete ihm 2014 zum 85. Geburtstag einen längeren Artikel (www.aerzteblatt.de/pp/lit1014). Im Antrag der AGHPT an den „Wissenschaftliche Beirat Psychotherpie“ (WBP) von 2012 ist PBSP als ein spezifischer Arbeitsansatz der Humanistischen Psychotherapie mit aufgeführt.
Mit dem Tod von Al Pesso verliert die AGHPT einen ihr nahestehenden Pionier und Mitstreiter für eine plurale humanistische Psychotherapie. Wir werden ihn und seine Frau in ehrendem Gedächtnis bewahren.
Albert Pesso (Mitte) 2014 auf dem 2. Kongress der AGHPT (links Jürgen Kriz, rechts Manfred Thielen)
(Informationen zur Pesso-Arbeit: www.Pesso-Therapie.org oder www.pbsp-institut.de bzw. international: www.pbsp.com.)