Jürgen Kriz: Zum Antrag auf wissenschaftliche Anerkennung

Missverständnisse ?

Zum Antrag der AGHPT an den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie auf wissenschaftliche Anerkennung der Humanistischen Psychotherapie

Quelle: Gesprächspsychotherapie und Personzentrierte Beratung 2/2012, GwG-Verlag


In letzter Zeit höre ich zunehmend Fra­gen zum bevorstehenden Antrag der Ar­beits­­ge­meinschaft Humanisti­sche Psy­cho­thera­pie (AGHPT) an den Wissen­schaftli­chen Beirat Psycho­the­rapie (WBP) um Feststellung der „wis­­sen­schaftlichen Anerkennung“ des Ver­fah­rens Huma­nistische Psychothera­pie (HP).

Es macht daher Sinn, diesem Thema ein Nach-Gedacht zu widmen. Schon um aufkommenden Unklarheiten bzw. Des­in­formation über diesen Schritt der AGHPT entgegen zu wirken.

In der AGHPT haben sich 2010 einige (inzwischen 11) Fachgesellschaften zusammengeschlossen, um gemeinsam dem Anliegen und den Interessen einer Humanistischen Psychotherapie in der BRD mehr Gewicht zu verleihen. Im Sommer 2011 wurde einstimmig der Beschluss gefällt, den Weg des Aner­ken­nungs-Procedere für die Humanisti­sche Psychotherapie mit einem Antrag beim WBP zu beschreiten.

Da auch die Gesprächspsychotherapie – in der AGHPT durch die GwG sowie die DPGG vertreten – mit zu den Rich­tungen der HP gehört, ist hier ein An­satz­punkt für Missverständnisse. So war bereits zu hören, dass der Antrag der AGHPT die Gesprächspsychotherapie zu einer Methode „herabstufe“, obwohl sie ja bereits als Verfahren für Erwach­se­ne vom WBP anerkannt sei.

Ein solches Argument jongliert – aus Unwissenheit oder zur gezielten Desin­formation – mit den unterschiedlichen Verfahrensbegriffen, welche durch die Arbeit des WBP brisant geworden sind: Vor der Definition von „Verfahren“ durch den WBP, jenseits der WBP-An­er­kennungs-Procedere sowie internatio­nal wird „Verfahren“ bzw. „Approach“ sehr unterschiedlich und oft synonym zu Methode verwendet. Trotz der nur drei in der BRD zugelassenen Richtlinien-Verfahren, fand und findet man im Internet oder in Broschüren der Ausbil­dungsinstitute den Begriff „Verfahren“ – beispielsweise für Psychoanalyse, für Individualpsychologie (Adler), für Ana­lytische Psychologie (Jung) oder auch für einzelne Ansätze der Verhaltens­therapie wie Schematherapie (Young) oder Rational-Emotive-Therapie, RET (Ellis).

Erst durch das sog. Methodenpapier, welches der WBP in seiner 2. Amtspe­rio­de 2007 entwickelte, wurde hier ein umfassender Verfahrensbegriff einge­führt, der durch zusätzliche Kriterien wie „Verfahrensbreite“ oder „Schwel­len­kriterium“  die Latte im Anerken­nungs-Procedere so hoch legte, dass nur noch umfassende „Verfahren“ aner­kannt werden können. Das hindert zwar weder den „Gemeinsamen Bundesaus­schuss“ (G-BA) in seinen Psychothera­pierichtlinien noch die Bundespsycho­therapeutenkammer (BPtK) in ihren An­trägen an den G-BA den Verfahrens­be­griff uneinheitlich und im Widerspruch dazu zu verwenden. Doch „offiziell“ nach WBP-Methodenpapier kann es nur noch umfassende Verfahren geben. Die­sen sind Methoden zuge­ord­net, die wie­de­rum durch Techniken ge­kennzeichnet sind.

Da auch die analytischen und tiefen­psy­chologischen Vertreter im WBP stets dieser Entwicklung zugestimmt hatten, musste ein neues Verfahren ge­schaffen werden – nämlich die „Psy­cho­dynami­sche Psychotherapie“.  In dieser stellt beispielsweise die Psycho­analyse nur noch eine von 21 Methoden dar, wie in dem Antragspapier der BPtK an den G-BA dokumentiert wird.

Es war nie der Anspruch der Gesprächs­psychotherapie – oder der Gestaltthera­pie, des Psychodramas etc. – umfassen­der als z.B. die Psychoanalyse zu sein. Wenn es also durch die Entwicklungen im WBP notwendig geworden ist, diese Verfahren nun als „Methoden“ zu be­zeichnen, wird der Definitionsmacht des WBP Rechnung getragen. Allerdings ist ohnedies zu berücksichtigen, dass weder die internationale Forschergemeinschaft noch die der Therapeuten sich nach den begrifflichen Vorstellungen des deut­schen WBP und G-BA richten wird. Jenseits der Hoheitsgrenzen der BRD hört deren Definitionsmacht auf – und wir dürfen sicher sein, in der internatio­nalen Literatur weiterhin die Psycho­analyse – ja sogar deren unterschied­lichen Entwicklungen – als Verfahren und Approaches in Konkurrenz zuein­ander in den Diskursen zu finden. Glei­ches gilt für die Verfahren der Verhal­tenstherapie und denen der systemi­schen Therapie. Und dies wird auch für die HP so sein.

Damit sind wir bereits bei einem zwei­ten Aspekt, der im Vorfeld des WBP-Antrags als Einwand gegen eine HP zu hören ist: Nämlich dass die HP zu we­nig kohärent wäre. Fordert doch das Methodenpapier des WBP, dass „die theoretischen Erklärungen der Störun­gen und Methoden einheitlich bzw. auf der Basis gemeinsamer Grundannahmen erfolgen“ sollen.

Auch ein solcher Einwand fußt auf Un­kenntnis (wenn man böswilliges Miss­verstehen nicht unterstellen will) der HP im Verhältnis zu den anderen drei Ver­fahren. Die Betonung von Kohärenz oder von Unter­schiedlichkeit ist immer eine Frage der Perspektive. So ist jeden­falls in Übersichtslehrbüchern seit Jahr­zehnten die Kohärenz der HP-Methoden dargestellt. Und auch in den Metaana­ly­sen von Grawe wurde die HP – wie auch die psychodynamischen, verhaltensthe­rapeutischen oder systemischen Ansätze – als ein Cluster behandelt.

Andersherum betont z.B. der VT-An­trag der BPtK an den G-BA „Bei der Verhaltenstherapie handelt es sich nicht um ein homogenes Verfahren, sondern um eine Gruppe von Interventionsme­thoden…“ und in jedem Fachbuch kann man die Unterschiede zwischen Freuds, Adlers oder Jungs Ansatz nachlesen, wie auch die zwischen den Rich­tun­gen der Systemischen Therapie. Es wäre da­her unredlich, allein bei der HP die Un­terschiede hervorzuheben.

Dass die Wirksamkeit und die Wissen­schaftlichkeit der HP selbst nach den sehr einseitigen Kriterien des WBP mit Studien überzeugend belegt werden kann, steht für mich außer Zweifel. Die Frage wird sein, wie weit der HP ein faires und sachgerechtes Pro­cedere eingeräumt wird.